Von Einkäufen, Wäsche und Vertrauen



Jeder Tag ist anders. Kein Kunde gleicht einem anderen – und bei jedem gibt es etwas anderes zu tun für Gabriele Otto.
Die Mitarbeiterin des Hauswirtschaftlichen Dienstes vom Pflegebereich Bad Cannstatt macht Frühstück, kocht Mittagessen oder bereitet das Abendessen vor, räumt die Spülmaschine ein oder wäscht ab. Sie bezieht Betten, bügelt, saugt Staub, schwingt den Kehrwochenbesen oder geht einkaufen. Nicht zu vergessen die vermeintlichen Kleinigkeiten: Rollläden hochziehen, die Zeitung reinholen oder den Müll mit hinunter nehmen.
Hinauf und hinab steigt Gabriele Otto auf ihrer täglichen Tour, die um 6.30 Uhr beginnt, ohnehin ständig. Denn viele Kunden der Diakoniestation wohnen in oberen Stockwerken, gerne im obersten. Und für viele von ihnen sind die Treppen ein Problem.
Für Jacqueline Schaffner mittlerweile auch. Vergangenes Jahr ist sie die Treppe heruntergefallen, auf dem Weg von ihrer Dachgeschosswohnung hinunter zur Haustür. Dabei hat sie sich an der Hüfte verletzt. Seither braucht die 81-Jährige daheim Unterstützung. Zweimal in der Woche, jeden Montag- und Donnerstagvormittag, kommt Gabriele Otto zu ihr. Einmal zur sogenannte kleinen, einmal zur großen Toilette, denn auch beim Waschen, Duschen und Anziehen helfen die Hauswirtschaftsmitarbeitenden. Gabriele Otto macht Jacqueline Schaffner dann immer noch gleich ihr Bett. Alles andere erledigt die Seniorin selbst, „eins nach dem anderen“, nur für „die großen Sachen“ kommt eine Putzfrau. „Manches kann ich einfach nicht mehr, Gardinen abnehmen zum Beispiel.“ „Das kann ich auch für Sie tun, Sie müssen es mir nur sagen“, meint Gabriele Otto. „Ach?“ Gut zu wissen, was noch alles ginge.
Es geht viel, je nach Bedarf. Der kann auch mal ungewöhnlich sein: Eine Seniorin wünschte sich etwa Pflanzen für ihren Balkon. Also machte sich Gabriele Otto auf den Weg zum entsprechenden Geschäft, lud Kästen, Blumenerde und Pflanzen in ihr Dienstauto, trug alles in die Wohnung der Dame (im Dachgeschoss, auch diese) und ging gemeinsam mit ihr ans Gärtnerwerk. Eine besondere Aktion war das natürlich. Im normalen Alltag der Hauswirtschaftsmitarbeitenden geht es weniger um Blumen, denn um belegte Brote, saubere Böden und Co.
Egal, was ansteht: Etwas Zeit für ein Gespräch haben, für das Zwischenmenschliche – das muss immer drin sein, findet Gabriele Otto. Das ist wichtig. Denn ihre Arbeit ist mehr als Dienstleistung. Es geht schließlich um Menschen. Und deshalb auch um Vertrauen. Es ist nicht leicht, Hilfe anzunehmen, jemanden in seine Privatsphäre zu lassen, an seine Sachen, an seinen Körper. Vertrauen zu fassen, braucht Zeit. Man muss sich kennenlernen. Ein Prozess, der sich lohnt: Bei Kunden, die Gabriele Otto schon länger besucht, „ist es ein bisschen wie bei einer Familie“, sagt die 58-Jährige, die seit 16 Jahren bei der Diakoniestation tätig ist. „Die Menschen merken, wenn man für sie da ist.“ Das ist nicht immer einfach, ihre Arbeit durchaus stressig. Aber sie mag sie. „Ältere Menschen haben so eine bestimmte Ruhe. Ich habe viel gelernt. Geduld. Und Demut.“ Zu hören, was diese Menschen alles erlebt haben, verändert den Blick, auf die Welt, auf sich selbst.
Für diesen Tag hat Gabriele Otto allerdings genug gehört, genug getan. Sie wird noch ihren kleinen Dienstflitzer an der Diakoniestation abstellen und sich dann auf den Weg nach Hause machen. Was morgen kommt, wird sich zeigen. 
lako