Was will der Patient tun? Warum kann er es nicht? Wie kann ich ihm dabei helfen? Diese drei Fragen stehen im Zentrum von Vera Scheurenbrands Arbeit. Die Leiterin der Ergotherapie-Praxis der Diakoniestation Stuttgart kümmert sich zusammen mit Christa Rotter und Sybille Katzer um Menschen mit Rheuma oder Arthritis, Demenz oder Depression, Menschen, die MS haben oder einen Schlaganfall erlitten – die Bandbreite ist groß. Die Patienten, ihre Erkrankungen und ihr Lebensumfeld sind unterschiedlich, der Leitgedanke hinter der Ergotherapie verbindet sie alle: Es geht um selbstbestimmtes Handeln, um Teilhabe am Leben. Der Begriff Ergotherapie leitet sich ja auch ab vom griechischen Wort „ergon“, was so viel wie Tat, Werk, Leistung, Handlung bedeutet.
„Es macht etwas mit einem, wenn man selbst nichts mehr machen kann“, so Vera Scheurenbrand. Und es macht umgekehrt etwas mit einem, wenn man Dinge selbst erledigen kann. Es ist ein großer Unterschied, ob man selbst essen kann oder den Löffel in den Mund gesteckt bekommt. Ob man sich selbst eine Tasse Kaffee kochen kann oder jemand anderen darum bitten muss. Ob man seinen Beruf weiterhin ausüben kann oder nicht.
Bei der Ergotherapie werden Körper(teile) und kognitive Fähigkeiten trainiert – immer im ganzheitlichen Kontext. Sprich: Es geht nicht „nur“ um Muskeltraining oder Schmerzlinderung, sondern immer darum, wie ein Mensch nach einem gesundheitlichen Einschnitt zu Hause oder am Arbeitsplatz zurechtkommt.
Einer von Vera Scheurenbrands Patienten etwa hatte sich aufgrund einer psychischen Erkrankung völlig zurückgezogen, saß nur im Sessel, konnte kaum noch alltägliche Dinge erledigen. Die Ergotherapeutin hat mit ihm Gleichgewichtsübungen gemacht, erst mal wieder das Gehen geübt, ihm Spaziergänge „verordnet“. Später folgte kognitives Training, wie etwa Rätsel, er bekam „Hausaufgaben“. Noch später ging es an ein 3D-Puzzle. Etwas von A bis Z erledigen, Stück für Stück arbeiten und eine Aufgabe zu Ende bringen, das war die Herausforderung. Der Patient hat sie bewältigt, das war wichtig für sein Selbstwertgefühl. Physisch und psychisch ging es ihm deutlich besser.
Menschen mit Demenz kann Ergotherapie ebenfalls helfen. Auch hier gilt es zunächst herauszufinden, was der Patient gerne (wieder) selbst tun würde, den Blumenkasten bepflanzen zum Beispiel oder Kaffee kochen. In solchen Fällen „muss man die Umwelt verändern, nicht den Menschen“, sagt Vera Scheurenbrand. Scheitert das Kaffeezubereiten daran, dass der Demenzkranke die dazu nötigen Dinge nicht mehr findet, beschriftet man eben die Schränke. Oder man entfernt die Schranktüren gleich ganz, dann sieht man, was drin ist. Vielleicht hilft es auch, wenn der Ehepartner schon mal das Wasser in die Maschine füllt. Kein Mensch ist wie der andere, kein Fall ist wie der andere. Vera Scheurenbrand muss immer aufs Neue genau hinschauen, hinhören, sich individuell überlegen, welche Methoden sie einsetzt, wie sie helfen kann.
Bei manchen ist die Ergotherapie eine Hilfe auf Zeit. Andere erholen sich vollständig und brauchen keine Unterstützung mehr. In beiden Fällen gilt: Es lohnt sich.